Wie geht weibliche Führung?
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass viele weibliche Führungskräfte damit ringen, wie sie ihren eigenen Weg gehen können in ihrer Führungsrolle, unabhängig(er) vom männlichen Vorbild. Die Männer ringen übrigens auch, aber davon später.
Was macht es den Frauen so schwer? Ich kann nur vermuten: Angeblich ist Eva aus einer Rippe von Adam entstanden. Die letzte Hexenverurteilung fand 1944 in Schottland statt. In China hat man jahrtausendelang geglaubt, die Frau habe keine Seele. Wir hier in Deutschland sind mittlerweile ein paar Schritte weiter. Aber wenige tausend Kilometer entfernt existieren heute immer noch Kulturen, die Frauen nicht würdigen. Ich glaube, dass wir Frauen dieses Erbe - wenn auch in homöopathischer Dosis - immer noch in uns tragen, und dass wir uns nicht willentlich von dem abschneiden können, was heute an anderen Orten mit Frauen passiert.
Ein ernstes Thema. Hinzu kommt, dass Führungsstile und -strukturen meist von Männern geschaffen werden. Wie kann eine weibliche Führungskraft sich in diesem Feld zurechtfinden und entscheiden, was davon zu ihr passt und wie sie ihre durchaus geschlechtsspezifischen Eigenheiten am besten einbringt. Und ob das überhaupt erlaubt, sozial erwünscht und opportun ist.
Es wird viel ausprobiert. Eine Strategie geht in Richtung Imitation der männlichen Vorbilder bzgl. Kleidung, Sprache und Auftreten. Eine andere nenne ich die Verdoppelungsstrategie: zum Beispiel doppelt so leistungsfähig, doppelt so fordernd, doppelt so eloquent wie männliche Führungskräfte. Es gibt sicher noch andere, weniger auffallende Handlungsmöglichkeiten. Allesamt nur bedingt befriedigend. Die Unsicherheit darüber, wie Frau ihr So-sein auch in ihre Führung einfließen lassen kann, bleibt.
Ich nehme eine große Sehnsucht wahr bei weiblichen Führungskräften, mehr von dem zu leben, was uns Frauen von Natur aus eben auch gegeben ist: zum Beispiel Zartheit, Herzenskraft und Hingabe. Sie fragen sich, was Hingabe mit Führung zu tun hat? Aus meiner Sicht viel: Frauen haben die Fähigkeit, aus fast nichts in neun Monaten ein vollständiges Menschenwesen in sich reifen zu lassen. Betonung auf „lassen“. Sie sind vertrauensvoller Zeuge, wie in ihrem Bauch ein Wunder heranwächst. Machen ist nicht gefragt. Diese Hingabe an den Fluss des Lebens empfinde ich durchaus als Führungsqualität.
Und ich glaube, männlichen Führungskräften geht’s ganz ähnlich. In Gesprächen, beim Coaching oder Training höre ich oft den Wunsch, Aspekte von sich zeigen zu können, die im wirtschaftlichen Funktionieren oft nicht opportun sind: zum Beispiel Berührbarkeit, Empathie, Krieger sein für das eigene Wohl und das ihrer Mitarbeiter. Männer ringen häufig noch stärker, weil mehr auf dem Spiel steht: Das Risiko beschämt zu werden. Fast jeder erinnert sich an Erlebnisse aus der Kindheit oder Jugend, in denen er Gefühle gezeigt hat, die von Erziehungsberechtigten oder Gleichaltrigen lächerlich gemacht wurden. Solche Wunden graben sich tief ein.
Mich bewegt dieses Thema, weil ich mich selbst im Forschungs- und Findungsprozess befinde, wie meine ureigenste Form der Führung aussieht. Was mir dabei sehr hilft, ist erstaunlicherweise das Älter werden! In kritischen Momenten, in denen ich dazu neige, meiner Angst nachzugeben, frage ich mich manchmal: Wie alt will ich noch werden, bevor ich das lebe, was mir am Herzen liegt? Oder: Wie würde ich entscheiden, wenn ich noch ein Jahr oder nur einen Tag zu leben hätte? Das ändert regelmäßig die Perspektive.